Rezension Thomas Nehlert: „Peter Falk – 33 Jahre Porsche – Rennsport und Entwicklung, Menschen, Autos, Geschichten “ – Autoren: Peter Falk, Wilfried Müller, Verlag McKlein Publishing, 2016

Bei keinem anderen Unternehmen haben sich die Namen und die Leistungen der führenden Ingenieure und Techniker auch den Fans der Marke so eingeprägt wie bei Porsche. Das hat mehrere Ursachen. Zum einen war Porsche bis vor nicht allzu langer Zeit ein relativ kleiner Hersteller mit wortwörtlich familiärem Charakter, zum anderen begünstigte das ununterbrochene Engagement im Automobilsport mit seinen besonderen Herausforderungen eine Ingenieursgeneration, die neben überragender fachlicher Kompetenz von überdurchschnittlichem Teamgeist und gesundem Ehrgeiz in der sportlichen Auseinandersetzung geprägt war. Vom Firmengründer Ferdinand Porsche bis zu den Vätern des aktuell siegreichen Porsche 919 Hybrid ziehen sich diese Eigenschaften wie ein roter Faden durch die Firmengeschichte. 

Bei näherer Befassung mit diesem Thema stellt man fest, dass aus der Gilde der großen Konstrukteure bei Porsche einer herausragt, der in seinem Auftreten und seinem Verhalten um sich selbst kein großes Aufhebens macht und für das Stuttgarter Unternehmen doch so viel geleistet hat: Peter Falk. Deshalb war es wirklich an der Zeit, dass sein Wirken für Porsche einmal in einem Buch seinen Niederschlag findet. McKlein Publishing in Köln legt hier in der "Edition Porsche Museum" eine umfangreiche Biografie vor, die für jeden Motorsport- und Porsche-Interessierten nicht nur Pflichtlektüre ist, sondern eine reine Freude darstellt. Schnell erkennt der Leser nämlich, was Peter Falk als Ausnahmeerscheinung kennzeichnet: Natürlich ist er ein großer Ingenieur mit gewaltigen Verdiensten besonders in den Bereichen Fahrwerksentwicklung und Fahrversuch; er ist aber auch ein brillanter Rennstratege und Rennleiter, er ist eine Führungspersönlichkeit, die in ihrer ruhigen und bestimmten sowie beispielgebenden Art die Mitarbeiter mitnimmt und motiviert; und er ist – das hebt ihn endgültig von anderen Berufskollegen ab – tatsächlich in der Lage, alle Rennwagen, an deren Konstruktion er beteiligt war, selbst bis in den Grenzbereich zu fahren! Er hat sie auch alle – mit Ausnahme des anfangs tückischen 917 – gefahren. 

Das Buch ist in sieben Abschnitte gegliedert, die sowohl nach Themen als auch chronologisch geordnet sind. Das erste Kapitel trägt die Überschrift "33 Jahre, drei Monate, drei Wochen und drei Tage" und gibt auf rund einhundert Seiten im Wesentlichen Peter Falks Blick auf Porsche im Kontext seiner beruflichen Laufbahn wieder. Zunächst wird seine Jugend gestreift: Grundschule, Humanistisches Gymnasium, Lehre bei DaimlerBenz, Studium des Maschinenbaus mit abschließendem Diplom. So waren bei Falk nicht nur die Voraussetzungen für eine Laufbahn als Diplomingenieur gelegt, sondern auch die Grundlagen für eine hohe Allgemeinbildung geschaffen, die ihn Zeit seines Lebens weit über den Tellerrand seines eigenen Berufsfeldes hinausblicken lassen. Seine Bewerbung bei Porsche war auf Anhieb erfolgreich, und so startete er Ende 1959 im Bereich Fahrwerksentwicklung und Fahrversuch, was auch genau seinen besonderen Interessen entsprach. 

Der Text des Buchs ist das Produkt einer Vielzahl von sehr langen Gesprächen, die der Autor Wilfried Müller mit Peter Falk geführt hatte. Durch ein unterschiedliches Schriftbild wird verdeutlicht, wann der Autor selbst biografische Ausführungen macht und wann Peter Falk im Originalton zu Wort kommt. Diese Form der Biografie liest sich nicht nur leicht und abwechslungsreich, sie führt auch zu einer bemerkenswerten Authentizität. 

Peter Falk war sowohl für zahlreiche Rennwagen als auch für die Entwicklung der Straßensportwagen von Porsche mitverantwortlich. Er begleitete und mitgestaltete die gesamte Entwicklung des 911 bis zur letzten luftgekühlten Modellreihe, dem Typ 993. Der Leser erfährt zahlreiche interne Geschichten und Erlebnisse von den Versuchsfahrten rund um den Erdball. Auch die Fahrwerksentwicklung der sogenannten WeissachHinterachse des Porsche 928 wird dokumentiert. Einzelheiten zum sagenumwobenen Porsche 965, das in Weissach für eine Fernsehsendung einstudierte "Porsche-Ballett" mit mehreren 911 Coupés und 911 Targa, der schicksalbehaftete Lebensweg von Rolf Wütherich, die Teilnahme an der Rallye Monte Carlo 1965 und der sogenannte "Lapine-Test" sind nur einige der im ersten Kapitel behandelten Themen. Dazu kommen Peter Falks persönliche Erinnerungen an Ferry Porsche, Ernst Fuhrmann, Helmuth Bott und Ferdinand Piech. 

Das zweite Kapitel befasst sich ausschließlich mit dem Rennen, das für Porsche von Anfang an bis heute die größte Bedeutung hat, mit den 24 Stunden von Le Mans. Zunächst äußert sich Peter Falk voller Bewunderung und Respekt über den aktuellen Porsche 919 Hybrid, der bei drei Einsätzen in Le Mans zwei Mal den Sieg davontragen konnte. Drei Themen bilden den Schwerpunkt dieses Teils der Biografie: das frühere Standquartier des Porsche-Rennteams in Teloché nahe der Rennstrecke, das unvergessene Rennen 1977 mit den glanzvollen Fahrten von Jacky Ickx und Jürgen Barth und die für Porsche triumphale Zeit der Gruppe C von 1982 bis 1987. Vom Werkstattgelände in Teloché fuhren die Rennwagen über öffentliche Straßen mit eigener Kraft an die Rennstrecke. Die durch beispielhaften Teamgeist zusammengeschweißte Porsche-Mannschaft nächtigte in eher bescheidenen Quartieren, zumeist hielt man sich ohnehin in der Halle in Teloché auf und arbeitete an den Rennfahrzeugen bis in die Nacht. Falk würdigt im Zusammenhang mit dem Rennen 1977 die überragenden Qualitäten eines Jacky Ickx. 

Es folgen drei Kapitel, die eine nach Jahrzehnten geordnete Dokumentation des Porsche-Motorsports darstellen – von den 1960er bis zu den 1980er Jahren. Peter Falk würdigt die wichtigsten Persönlichkeiten aus der frühen Porsche-Historie: Wilhelm Hild, Herbert Linge, Hans Herrmann und Huschke von Hanstein. Er arbeitet – an verschiedenen Stellen des Buchs – den fast ständigen Konflikt zwischen den Wünschen der Techniker und den Zwängen der Haushälter des Unternehmens heraus. In Falks Anforderungsprofil für Rennfahrer steht nicht nur die Schnelligkeit an erster Stelle, sondern mindestens gleichwertig auch die Teamfähigkeit und die Zuverlässigkeit. Unter diesen Voraussetzungen gehörte Jo Siffert nach Falks Einschätzung zu den herausragenden Porsche-Rennfahrern. Weiten Raum nimmt zu Recht die Entwicklung der Porsche-Rennsportwagen vom 904 bis zum gewaltigen 917 ein. Dieser konsequente Aufstieg vom regelmäßigen Klassensieger zum Weltmeister und Le-Mans-Gesamtsieger ist zweifellos eine der faszinierendsten Geschichten im internationalen Motorsport. Und an dieser Erfolgsgeschichte hatte Peter Falk zusammen mit anderen Porsche-Verantwortlichen maßgeblichen Anteil. Auch die Entwicklungen für die früher sehr wichtige Europa-Bergmeisterschaft spielen in Peter Falks Erinnerungen eine Rolle. 

In den 1970er Jahren musste Peter Falk sein erstes Augenmerk auf die Fahrwerksentwicklung der Straßensportwagen richten, es war die Zeit der Transaxle-Porsche 924, 944, 928. Dennoch trug er auch im Rennsport Verantwortung. Nach der Dominanz der 917 und 908/03 kamen die Rennversionen des 911 bis zum 935. Falk wurde zum stellvertretenden Hauptabteilungsleiter und zum Chef des Fahrversuchs ernannt. Er stellte u.a. Norbert Singer ein, einen Ingenieur, der zukünftig von großer Bedeutung für Porsche sein sollte. Wieder erfährt der Leser unzählige Hintergrunddetails aus dem Renn- und auch aus dem mit dem 911 betriebenen Rallyesport. Selbst das Geheimnis des bei Porsche-Feiern relevanten Ordners mit der Bezeichnung "Schräglaufwinkel" wird gelüftet. In diesem Abschnitt äußern sich zwei bedeutsame Weggefährten Peter Falks: Manfred Bantle, der Projektleiter für die Typen 908/03, 909 und 959 erinnert sich, und Ferdinand Piech denkt unter der Überschrift ". . . Peter Falk ist und bleibt ein Stück Porsche . . .“ an die Entwicklung des Typ 917 zurück. Auch auf Porsches Erfolge in der CanAm Series wird eingegangen, wenngleich dieses Projekt nicht in den Händen des zu diesem Zeitpunkt mit der Entwicklung des 924 und 928 befassten Falk lag. 

Peter Falk wurde 1981 Hauptabteilungsleiter Versuch, der Vorstandsvorsitzende Peter W. Schutz gab auf Anraten der Porsche-Ingenieure den Anstoß zur Fortführung der 911-Baureihe und zur Weiterentwicklung des Typ 936 unter Verwendung des ersten Indycar-Motors von Porsche, so dass man auch 1981 mit eben diesem 936 in Le Mans siegreich blieb. 1982 brachte eine von Peter Falk herbeigesehnte Wende: Die Aufgaben des Presse- und des Rennchefs wurden geteilt, erstmals gab es eine eigene Hauptabteilung Rennsport, deren Leiter Falk wurde. Den Aufbau dieses Ressorts beschreibt er sehr ausführlich, er gibt seine Anforderungen an die Mitarbeiter wieder und dokumentiert die Entwicklung des 956/962, des erfolgreichsten Rennwagens, den Porsche je gebaut hatte. Und er analysiert seine Rennfahrer und Mitarbeiter. Dabei fällt kein böses Wort, geradlinig und fair werden die besonderen Fähigkeiten herausgearbeitet; für den Leser ungemein interessant sind die Texte über Jacky Ickx, Jochen Mass, Derek Bell, Stefan Bellof, Hans-Joachim Stuck. Aber auch Persönlichkeiten des Porsche-Managements erfahren angemessene Würdigungen – ungeschminkt, auch dann die Verdienste herausstellend, wenn Peter Falk selbst eine etwas andere Sichtweise hatte. Wer jedoch zwischen den Zeilen zu lesen vermag, der erkennt schon, wer auf Falks Liste nicht ganz oben stand. Eitle, extrovertierte Selbstdarsteller sind seine Welt nicht. Besondere Aufmerksamkeit verdienen Peter Falks Ausführungen sowohl zu dem von Porsche und seinem genialen Motoreningenieur Hans Mezger entwickelten TAG-Formel-1-Motor für McLaren als auch zu dem nicht von besonderem Erfolg gekrönten Indycar-Projekt in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre. Mit feinsinniger Ironie deutet er auch die Ursachen zweier Niederlagen in Le Mans an, ohne die mit vielleicht nicht ganz sauberen Methoden arbeitenden Konkurrenten herabzusetzen. Und, ganz außerhalb von Porsche, äußert Peter Falk auch seine Begeisterung für das Motorenkonzept der Reihensechszylinder – wie Recht er doch damit hat! 

Das sechste Kapitel hat die Porsche-Einsätze bei der Rallye Paris-Dakar zum Gegenstand. Es wird beschrieben, wie Helmuth Bott, der Vater des legendären Porsche 959, unterstützt von Peter Falk und dem wüstenbegeisterten Jacky Ickx, den Vorstandsvorsitzenden Schutz zunächst von diesem anspruchsvollen Projekt überzeugen musste. Man wird Zeuge von den Bedingungen, unter denen das Porsche-Team diese Rallye drei Mal bestritt und dabei zwei Siege erringen konnte. In diesem Zusammenhang würdigt Jacky Ickx die besonderen Verdiente Peter Falks. Dieses Kapitel endet mit dem Abschied Peter Falks von Porsche nach mehr als 33 Jahren. An dieser Stelle gewährt der große Ingenieur auch einen kurzen Blick in sein Familienleben und seine neuen Aktivitäten im Historischen Motorsport. 

Der siebte und letzte Abschnitt ist eine eindrucksvolle Sammlung von Dokumenten: Das reicht von einer "Wortkunde für Fahrwerker" und der "unabdingbaren Leichtigkeit des Porsche-Fahrens“ über Motorendiagramme, Tagebuchskizzen und Streckenaufzeichnungen bis zu Organigrammen, einer Fahreranalyse und einer "Gebrauchsanleitung für Langstreckenrennen". 

Man kann die Leistung des Autors Wilfried Müller gar nicht hoch genug würdigen, dem es gelungen ist, aus den wahrscheinlich fast unendlichen Protokollen der langen Gespräche mit Peter Falk ein so hervorragend und spannend zu lesendes Buch zu machen, das bis in die Tiefen des Unternehmens Porsche vordringt. In erster Linie aber zeichnet dieses Werk das Bild eines Menschen, der bei allem Erfolg und wahrhafter Weltläufigkeit doch sehr bodenständig und im Auftreten eher bescheiden, wortkarg und zurückhaltend geblieben ist, der mit seinem ruhigen, menschlichen und doch bestimmenden Führungsstil seine Mitarbeiter zu den Zielen geführt hat, die er selbst gesetzt hatte. 


Das Buch ist mit rund 540 Fotografien wirklich reichhaltig illustriert. Die eigentliche Qualität der Illustration resultiert aber aus der Art der bestens reproduzierten Aufnahmen: Hier werden dem Betrachter Momente, Eindrücke und Details vor Augen geführt, wie er sie so bestimmt noch nicht gesehen hat. Aus den Tiefen des Historischen Archivs von Porsche, dem riesigen Bestand von McKlein Publishing und vor allem aus dem privaten Archiv Peter Falks stammen die meisten der erstmals veröffentlichten Bilder. Der Band enthält Aufnahmen im kompakten Bildformat, zahlreiche halbseitige und nicht weniger als 120 ganzseitige sowie fünf doppelseitige Fotografien und vermittelt so im für die Bildwiedergabe besonders geeigneten Querformat einen optischen Eindruck, der der Qualität der Texte in nichts nachsteht. Der Betrachter sieht die Entwicklung des 911, erinnert sich an die faszinierende Baureihenentwicklung vom 904 bis zum 917, schaut in die Porsche-Boxen bei den großen Sportwagenrennen, bekommt Einblick in die Rennabteilung, verfolgt Versuchsfahrten auf unterschiedlichem Geläuf, nimmt an der Entwicklung des 956 und an dessen Renneinsätzen teil und wird schließlich in das Ambiente der Rallye Paris-Dakar versetzt. 

Fazit: "Peter Falk – 33 Jahre Porsche" ist zweifellos eines der besten Automobil- und Motorsportbücher der letzten Jahre. Übrigens gibt es auch eine inhaltsgleiche englischsprachige Ausgabe.

Thomas Nehlert

Peter Falk – 33 Jahre Porsche 
Rennsport und Entwicklung, Menschen, Autos, Geschichten
Autoren: Peter Falk, Wilfried Müller 
Verlag: McKlein Publishing Köln in der Edition Porsche Museum, 2016 
Format: Hardcover, 30 x 24 cm 
Umfang: 408 Seiten, rund 540 Abbildungen 
Text: Deutsch 
Preis: € 49,90 
ISBN: 978-3-927458-86-4 
Englische Ausgabe: 978-3-92745-887-1 
Vertrieb: Überall im Buchhandel und über RacingWebShop.com

Fotos: Aus dem Bestand von Thomas Nehlert

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