Rezension Thomas Nehlert „Ferrari 250 GTO – The autobiography of 4153 GT“ - Autor: Keith Bluemel, Great Cars 7, Porter Press International, GB, 2016

Wenngleich in der ersten Hälfte der 1960er Jahre die meisten Rennen der Sportwagen Weltmeisterschaft – die damals offiziell die etwas spröde Bezeichnung „Internationale GTMeisterschaft“ trug – von den sogenannten Prototypen gewonnen wurden, so blieb doch der Meisterschaftstitel den Grand-Tourisme-Fahrzeugen in drei Hubraum-Klassen vorbehalten. Dies waren zweisitzige Sportwagen, von denen eine gewisse Mindeststückzahl gebaut werden musste, damit sie als GTs homologiert werden konnten. 

Ferrari stellte zwischen 1962 und 1964 nicht einmal vierzig Exemplare des legendären 250 GTO her, eines 3-Liter-Rennsportwagens mit einer Motorleistung zwischen 295 und 302 PS. Drei dieser Fahrzeuge hatten sogar 4 Liter Hubraum und hätten deshalb eigentlich 330 GTO heißen müssen, drei kamen für die Saison 1964 in einer etwas abgewandelten Karosserieform auf die Rennstrecken. Es war dementsprechend ein sehr ausgesuchter Kundenkreis, dem Enzo Ferrari die Ehre zuteil werden ließ, einen der damals 18.500,- $ teuren GTO zu erwerben. In aktuellen Auktionen historischer Rennwagen erzielte ein 250 GTO den atemberaubenden Preis von 38 Millionen Dollar, was einer Wertsteigerung von 205.400 % in 50 Jahren entspricht! Dass der GTO überhaupt als GT homologiert wurde, ist der Argumentation Ferraris zu verdanken, dass es sich bei diesem Rennwagen um eine zusätzliche Variante des Straßensportwagens 250 GT handelte; denn das Reglement verlangte an sich eine Stückzahl von mindestens 100 produzierten Fahrzeugen. 

Keith Bluemel als einer der renommiertesten Ferrari-Kenner widmet sein opulentes Buch dem 250 GTO mit der Chassis-Nummer 4153, der als einer der ersten im Jahre 1962 hergestellt worden war. Das in der Farbe „pale metallic grey“ lackierte Fahrzeug gab gemessene 305 PS ab, trug mittig in Längsrichtung einen Streifen in den Farben der französischen Trikolore und wurde am 28. Dezember 1962 an den französischen Rennfahrer Pierre Dumay ausgeliefert. Bluemel dokumentiert haarklein die Historie dieses GTO mit allen Renneinsätzen von 1963 bis 1965 sowie auch die späteren Rennen von 1966 bis 1969. Nach den ersten drei Jahren wechselte der durch die Strapazen der zahlreichen Rennen gezeichnete GTO für gerade einmal 1.600 $ den Eigentümer – angesichts des heutigen Wertes schlicht unvorstellbar. 1970 zahlte der nächste Erwerber dann immerhin 3.000 britische Pfund. Anschließend wechselte die Sportwagen-Ikone mehrfach den Eigentümer, bis schließlich Christian Gläsel das Sammlerstück erwarb und der „Gläsel Family Collection“ einverleibte. Ihm gelang es auch, den Ursprungsmotor des 4153 GT wieder aufzutreiben, der seit 1964 seinen Dienst in einem anderen GTO verrichtet hatte, so dass 2011 Ursprungskarosserie und Ursprungsmotor wiedervereinigt werden konnten. Auf den sehr seltenen Treffen der Ferrari 250 GTO kann man den nun auch wieder silbergrau lackierten Rennsportwagen in seiner ganzen Pracht bewundern. 

Neben mehreren durchaus bemerkenswerten Resultaten in den Jahren 1963 und 1964 verbuchte der Ferrari mit der Nummer 4153 GT seinen zweifellos größten Erfolg mit dem Sieg bei der Tour de France Automobile im September 1964. Auf rund 60 Seiten wird dieser rallyeartige Lauf zur Markenmeisterschaft sehr detailliert beschrieben. 24 Seiten sind der bis in die technischen Einzelheiten gehenden grandiosen farbigen fotografischen Wiedergabe des 4153 GT vorbehalten. Die besondere Stärke des Buchs liegt auch darin, dass Bluemel sich nicht auf die Geschichte dieses einzelnen GTO beschränkt, sondern die Faszination der Markenweltmeisterschaft der Jahre 1963 bis 1965 noch in Erinnerung ruft. Dies war zwar die große Zeit des Ferrari GTO und insbesondere auch der von Sieg zu Sieg fahrenden Ferrari-Prototypen; es war aber auch die Zeit des Einstiegs der Ford Motor Company in die Sportwagenrennen. Bevor nämlich die mächtigen Ford GT nach zwei Jahren des Misserfolgs ab 1966 das Kommando bei den Langstreckenrennen übernahmen, war bereits der Texaner Carroll Shelby mit seinen von Ford-V8-Motoren angetriebenen Shelby Cobra bei den GT-Fahrzeugen gegen die Ferrari GTO angetreten. Insbesondere die Saison 1964 – die auch Gegenstand des vorliegenden Buchs ist – war über alle 12 in der großen GT-Klasse ausgetragenen Rennen ein erbitterter Kampf, den schließlich die GTO nochmals kanpp für sich entscheiden konnten, bevor sie sich 1965 den Shelby Cobra und insbesondere dem Cobra Daytona Coupé geschlagen geben mussten.

So schlägt Bluemel noch einmal dieses begeisternde Kapitel des Automobilsports auf und geht zudem auf die Entwicklung des GTO aus der Ferrari-Baureihe 250 ausführlich ein, wobei er auch die Rolle des "Vaters des GTO", Giotto Bizzarrini, würdigt. Das Buch ist in sechs Abschnitte und insgesamt 20 Kapitel gegliedert; ein Anhang befasst sich mit den dem 4153 GT nachgebildeten Modellautos. 18 inhaltliche Einschübe knappen Umfangs porträtieren die Rennfahrer, die sich am Steuer dieses GTO betätigt hatten, beschreiben einige Rennkurse sowie den Ferrari 250 LM als Mittelmotor-Nachfolgemodell, den Enzo Ferrari vergeblich versucht hatte, als GT homologieren zu lassen. 

Einfach überwältigend ist die Illustration des hervorragend verarbeiteten und auf schwerem Mattglanzpapier gedruckten Buchs. Über 360 Abbildungen, teilweise im großen Format, lassen den Betrachter noch einmal in die Welt der großen Sportwagenrennen der Jahre 1963 bis 1965 eintauchen. Es ist beeindruckend und sicher mit großem Bearbeitungsaufwand verbunden, über 50 Jahre alte Fotos in einer so guten Qualität zu reproduzieren. Actiongeladene Rennaufnahmen, Fotos von technischen Details, stimmungsvolle Bilder vom Rande des Geschehens und die Wiedergabe von Datenblättern fügen sich gelungen zusammen und vermitteln einen einzigartigen Eindruck von einem legendären Rennwagen, der mit seiner aktuellen Wertentwicklung fast alle Rekorde schlagen dürfte. 

Es gibt zahlreiche Bücher über den Ferrari 250 GTO, dieser Band von Keith Bluemel zählt auf jeden Fall zu den besten. 


Ferrari 250 GTO – The autobiography of 4153 GT 
Autor: Keith Bluemel 
Verlag: Porter Press International, GB, 2016 
Format: Hardcover, 24 x 29 cm 
Umfang: 320 Seiten, über 360 Abbildungen 
Text: Englisch Preis: € 74,90 
Erhältlich: www.racingwebshop.de

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen