Rezension Thomas Nehlert: „Das Phänomen NASCAR“ und „Das Phänomen NASCAR 2“ - Autor: Pete Fink, Eigenverlag Pete Fink, München, 2012 und 2015

Der amerikanische Motorsport unterscheidet sich grundsätzlich vom europäischen. Spielen bei uns die Formel 1 und die Touren- und Sportwagen mit Rennen auf Rund- und Straßenstrecken die wichtigste Rolle, so interessieren sich die US-Amerikaner vornehmlich für die Läufe der NASCAR Cup Series mit Stock Cars von 750 bis 800 PS auf Ovalkursen. Es wäre auch falsch, diese Form des Autosports als primitives „Fahren im Kreis“ abzutun. Die Leistungsanforderungen an die Fahrer liegen hoch, was nicht zuletzt durch die sehr dürftigen Ergebnisse belegt wird, die von Fahrern aus anderen Motorsportformen erzielt wurden. Nur beispielhaft seien hier Jacques Villeneuve und Juan-Pablo Montoya erwähnt. 

Wer sich mit den Rennen der NASCAR Series einmal genauer befasst hat, kommt von diesen Veranstaltungen kaum noch los. Nicht weniger als jährlich 36 Rennen mit jeweils 40 Teilnehmern umfasst die Meisterschaft, die in einem Play-Off-System in den letzten zehn Rennen entschieden wird. Nur zweimal treten die gewaltigen Fahrzeuge außerhalb von Ovalstrecken an, nämlich in Sonoma in Kalifornien und in Watkins Glen nicht weit von New York. Die Rennen sind im Grunde Langstreckenläufe mit Distanzen von 250 bis zu 600 Meilen. 

 #Rezensent_mit_JeffGordon_Atlanta_2014
Die hier vorgestellten Bücher sind zur Zeit die einzige deutschsprachige Literatur über den faszinierenden Sport mit Stock Cars. Pete Fink, Spezialist für den amerikanischen Motorsport und Kommentator bei zahlreichen Fernsehübertragungen der NASCAR-Serie, hat mit seinen beiden Bänden wirklich eine Pflichtlektüre für die stetig wachsende NASCAR-Fangemeinde verfasst. Im ersten Band beschreibt Fink die Geschichte der NASCAR in 20 Kapiteln so detailreich, so tiefgründig und doch so unterhaltsam, dass man die 400 Seiten am liebsten gleich in einem Zug durchlesen möchte. 

Die Stock Car Rennen hatten ihre Wurzeln in den Verfolgungsjagden, die sich die Schmuggler des zur Zeit der Prohibition des nachts in North und South Carolina schwarz gebrannten Whiskys mit der Polizei geliefert hatten. Diese "Bootlegger" benötigten für den Transport des sogenannten "Moonshine" immer stärkere Limousinen. Es ist unglaublich, wie viele Hintergrundgeschichten, Fahrerbiografien und Rennverläufe nachgezeichnet werden. Die Entstehung der Stockcar-Rennen ist zugleich ein hoch interessanter Teil amerikanischer Geschichte, und die Darstellung der Entwicklung und des Wachstums dieses Motorsports macht deutlich, dass NASCAR in dieser Art und in diesem Umfeld so nur in den Vereinigten Staaten möglich war und ist. Im ersten Band wird die NASCAR-Historie sehr pointiert und fesselnd bis zum Ende der Saison 2011 erzählt - von Junior Johnson über Richard Petty und David Pearson, Dale Earnhardt und Darrell Waltrip, Jeff Gordon und Jimmy Johnson bis zu Dale Earnhardt Junior und Tony Stewart - von der Markenvielfalt am Anfang über das Auftreten der großen Werke bis zur heutigen Zeit der großen und teilweise schon legendären Teams. Da bleibt keine Frage unbeantwortet und selbst der interessierte NASCAR-Fan erfährt mit Sicherheit noch viel Neues. 

Das Buch "Das Phänomen NASCAR 2" schließt nahtlos an den ersten Band an. Der Leser wird in 18 Kapiteln auf wiederum 400 Seiten durch die Jahre 2012 bis 2014 geführt und erfährt erneut unzählige Details und Hintergrundgeschichten bis hin zum Titelgewinn Kevin Harvicks. Einzelne Kapitel widmen sich Danica Patrick, Brad Keselowski, Mark Martin und natürlich Jimmie Johnson, der 2016 seinen siebten Titel erringen konnte. Fink schreibt auch über die vielversprechenden Nachwuchstalente, die Nationwide Series - die nun Xfinity Series heißt - als zweiter Liga und die Camping World Truck Series. Ausführlich wird auch auf die technischen Aspekte wie das Gen6 Car eingegangen. Ebenso fehlt es nicht an einer in die Tiefe gehenden Darstellung des nicht ganz unumstrittenen neuen Chase-Formats im Play-Off-Stil. 

Von ganz besonderem Reiz ist das Kapitel über die Entwicklung der NASCAR-Übertragungen im deutschsprachigen Fernsehen. Für viele Leser der Höhepunkt dürften aber 30 Seiten mit wertvollen Tipps und Ratschlägen für Reisen in die USA zu den NASCAR-Rennen sein. Hier hat der Münchner Autor viel Wissen und Erfahrung zusammengetragen, so dass einem Ausflug zu einem oder mehreren Stock Car Rennen kaum noch etwas im Wege stehen sollte; denn so sehr die Live-Übertragungen auf MotorvisionTV auch begeistern, nichts kann das unmittelbare Erlebnis eines NASCAR-Rennens vor Ort ersetzen. 

 #Start_Bristol_NightRace_2014
In diesem Zusammenhang sei besonders auf das erste Kapitel im ersten Band hingewiesen, in dem Pete Fink seinen Eindruck von dem schier unglaublichen Halbmeilen-Oval in Bristol im Bergland von Tennessee beschreibt. Ein von hohen Tribünen vollkommen umschlossenes Oval mit etwa 165.000 Plätzen - wenn dort beim Start von vierzig V8-Stock-Cars unter ohrenbetäubendem Lärm die Luft und sogar der Boden in Schwingungen geraten, wenn dieses Fahrzeugfeld auf einem nur 800 m langen Kurs 500 Runden unter Flutlicht in Angriff nimmt, dann wird dem Zuschauer bewusst, dass eine Steigerung motorsportlicher Faszination nicht denkbar ist. Ich weiß es, denn ich war selbst einmal da. 

Abgerundet werden beide Bücher jeweils durch einen 32seitigen abwechslungsreichen Bildteil mit 60 bis 70 Fotos, die aber nur eine Ergänzung des von Begeisterung und Kompetenz getragenen Textes sind. Beide Bände sind im Buchhandel zu erwerben; empfehlenswert ist aber auch eine Bestellung über die Website von Pete Fink, weil man dann die Bücher auf Wunsch auch vom Autor handsigniert bekommt.

Thomas Nehlert

Autor: Pete Fink 
Verlag: Pete Fink, 2012 und 2016 
Format: Hardcover, 15,5 x 23,5 cm 
Umfang: jeweils 400 Seiten Text und 32 Seiten mit 60-70 Fotos 
Text: Deutsch 
Preis: je € 34,95 
Vertrieb: Überall im Buchhandel und
info@pete-fink.com 
Fotos: Archiv Thomas Nehlert



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